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Gärten für Kinder

Kinder muss man aktiv im Garten erleben, will man verstehen, was Gärtnern für Kinder bedeutet.

Sie graben und harken und pflanzen mit großer Begeisterung, sie begießen die Pflanzen, lockern den Boden und jäten Unkraut. Und wenn es dann ans Ernten geht, ist die Freude riesig. Das konnten wir schon in den letzten beiden Jahren in unserem PerNaturam-Garten erleben. Ganz besonders die Kartoffelernte hatte es ihnen angetan. Da konnten sie mit Stolz zuhause zeigen, was sie geleistet hatten. Und die reifen Tomaten landeten häufig direkt im Mund.
Ein Erwachsener muss sie zum Gärtnern hinführen, indem er sie an seinen Erfahrungen teilhaben lässt. Für ihn muss Gärtnern ein unentbehrlicher und beglückender Teil seines Lebens sein. Die Freude an Pflanzen, Tieren und an der notwendigen Arbeit springt über auf die Kinder. Gärtnern müssen die Kinder als einen Weg zu ihrem persönlichen Glück erleben.

In Gärten wird die große Natur abgebildet. Hier erleben Kinder die natürlichen Rhythmen, das Erwachen des schlafenden Lebens im Frühling, die Zeit des Wachsens, Reifens, der Ernte und das Vergehen in die Ruhezeit des Winters.

In Gärten dürfen Kinder eingreifen und gestalten und dabei erleben, wie die Natur antwortet. So kann sich eine lebenslange Beziehung zwischen Mensch und Natur bilden, die ihm Erholung und Freude bringt und ihm hilft, inmitten der Natur zu sich selbst zu finden.

Im Garten erleben die Kinder auch den ständigen Dialog zwischen Natur und Kultur. Es ist genau das, was uns Menschen ausmacht: Wir sind sowohl Naturwesen als auch Kulturwesen und »artgerecht« für uns Menschen bedeutet, diese beiden Wesenheiten zu einem Ganzen zusammenzuführen. Im Ökosystem Garten erleben Kinder unmittelbar, wie lebendige Systeme funktionieren, was Vernetzung bedeutet und wie abhängig das Naturwesen Mensch von seiner Umwelt und Mitwelt ist. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen und aus Rückschlägen, auch selbstverschuldeten, die richtigen Folgerungen zu ziehen. Das macht demütig gegenüber den Wundern der Natur.

Im Garten lernen die Kinder Geduld; sie müssen weitsichtig planen, eine Fähigkeit, die sie in ihrem Leben vielfältig verwenden können. Weitsichtiges Planen erfordert das Erkennen von Zeit und das Einschätzen von Zeiträumen, von Dynamik und Veränderung, von Kreislauf und Rhythmus. Der Garten schult alle diese Fähigkeiten für ein erfülltes Leben. Feingefühl und die dafür nötigen motorischen Fähigkeiten kann man nirgends besser lernen als im Umgang mit Lebewesen.

Im Garten werden Lebensmittel produziert, aber auch Blumen, an denen wir Menschen uns erfreuen. Die Ernte ist dann die Belohnung für viel Fleiß und Arbeit. Die erlernte Sicherheit macht stolz und stärkt damit das Selbstbewusstsein, das die Kinder so nötig für ihr Leben brauchen. Der Garten führt die Kinder durch diesen Lernprozess.

Der Garten ist Realität. In ihrem Alltag erleben die Kinder fast nur noch virtuelle Welten. Computerspiele gaukeln Welten vor, die es nicht gibt, formen aber nachhaltig die sich entwickelnde Persönlichkeit, ihren Charakter, ihre Gedanken und oft auch ihr Handeln. Damit werden viele Zugänge zu den realen Geschehnissen verbaut. Auch die vielen Tierfilme und Filme über Pflanzen sind virtuell. Sicher, sie zeigen die Vielfalt und die Wunder der Natur. Aber das persönliche Erleben ersetzen sie nicht. Das aber findet im Garten statt und eher in einem belebten Komposthaufen als in einem Film über die afrikanische Steppe. Man muss den Kindern nur nahe bringen, welche Aufgaben Asseln, Spinnen, Insekten und Regenwürmer oder auch Pilze und Bakterien im Kreislauf des Lebens verrichten. Das ist nicht weniger spannend als ein Film über Lebewesen in fernen Ländern.

Vor allem Stadtkindern, aber auch solchen vom Lande ist die lebendige Natur zunehmend fremd geworden.
Diese Entfremdung begann bereits Anfang der 70 Jahre des letzten Jahrhunderts. Der gut gemeinte und auch notwendige Schutz der Natur und damit vieler Pflanzen und Tiere führte zu dieser Entfremdung. Viele Wildpflanzen wurden geschützt und damit war es verboten, sie auszugraben und in den eigenen Garten zu pflanzen. Allerdings wussten die meisten gar nicht, um welche Pflanzen es sich handelte; das blieb den wenigen Fachleuten überlassen. Das Verbot aber war allgegenwärtig.

So ließ man dann lieber gleich die Finger von allen Pflanzen, um nicht bestraft zu werden; und genau das hat dazu geführt, dass die Natur als fremd gesehen und gemieden wird, besonders von den Stadtkindern. Begleitet wurde es davon, dass ein Fach Heimatkunde verschwand und Lehrer in ihrer Ausbildung keine Pflanzen- und auch Tierkenntnisse als Grundwissen mehr vermittelt bekamen. Keine Kaulquappe durfte mehr von da an aus einem Teich entwendet und zu Hause in einem Terrarium großgezogen werden, kein Schmetterling und kein Käfer durfte gefangen werden. Dann kam es auch noch zu einer Reduzierung des Biologieunterrichtes und somit der Kenntnisse von Arten.
Mit diesem Verlust ging dann die Achtung vor der Natur und ihren Wundern bei vielen Kindern verloren. Die Kinder von damals sind nun die Eltern oder schon die Großeltern von heute. Was können die noch von der Natur vermitteln?

Die Natur wurde zu einer fremden Welt, zu der wir Menschen eigentlich nicht gehören. Menschen sind nicht Natur; so empfinden es die meisten Menschen und auch viele Kinder. Sie sehen sich außerhalb ihrer und lernen, dass wir Menschen die Beherrscher der Natur sind, die wir beliebig manipulieren können. Dieses mechanistische Weltbild prägt unsere Zeit bis in jeden Winkel unseres Lebens hinein und nicht zuletzt in die Ernährung und die Medizin.
Nun ist es aber so: Was man nicht kennt, wird man nicht achten; was man nicht achtet, wird man nicht lieben. Was man nicht liebt, wird man nicht schützen. Und so wird dann der Naturschutz zur Farce und erreicht wird das Gegenteil.

Die Wunder der Natur erleben die meisten Kinder nicht mehr hautnah, sondern allenfalls im Fernsehen und damit ebenfalls virtuell. Über die Heimat und über die Natur der Heimat wird kaum mehr etwas vermittelt. Kein Schmecken mehr, kein lebendiges Erkennen von Formen und Farben, kein Anfassen, kein Beriechen, kein Einordnen von Standorten und Abhängigkeiten der Lebewesen untereinander.

Anstatt Liebe zur Natur empfinden viele nur Angst, zumal ihnen aus der Unkenntnis ihrer Lehrer und Eltern heraus und nicht zuletzt durch Infos aus dem Internet vermittelt wird, dass die Natur vor allem giftig und deshalb gefährlich ist; sie ist nicht mehr Mutter, sondern Furie, die man nur mit Abstand anschauen darf.

Das kann man ändern; das müssen wir ändern. Dafür stehen Gärten und Menschen, die diese Kenntnisse vermitteln können, und die Liebe zu Pflanzen und Tieren, die Freude am Wachsen, Blühen und Ernten.
Nur so können sich die Kinder zu reifen Persönlichkeiten entwickeln.

Birgitta Goldschmidt, Klaus-Rainer Töllner

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