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Vitale Wildkräuter

Ungebetene Gartengäste ausreißen oder aufessen?

Viele sogenannte Unkräuter eignen sich hervorragend zum Essen: in Salaten, Wildgemüse, in Energiedrinks und Smoothies, als Sprossen, Gewürz, als Heilpflanzen in Kräutertees, Bädern oder Umschlägen.

Die Grünkraft, Virilität

Hildegard von Bingen sprach von der Virilität (lat. viridis = grün), sie bezeichnet damit eine Grundkraft, die der gesamten Natur, also Menschen, Tieren, Pflanzen und Mineralien, innewohnen soll.

Die in allem steckende Grundkraft ist nach Ansicht von Hildegard die Grundlage einer Heilung. Die starke Vitalität, die verschwenderische Produktion von Blättern und Samen zeigen die Vitalität der Wildkräuter, die wir für uns nutzen sollten.

Vogelmiere (Stellaria media)

Die Vogelmiere ist ein Kulturfolger, sie begleitet den Menschen seit der Steinzeit und kommt heute in den gemäßigten Breiten weltweit vor. Eine Pflanze kann bis zu 15.000 Samen bilden, pro Jahr können darüber hinaus zwei bis drei Generationen wachsen. Das Kraut und die Samen werden gern von Vögeln gefressen. Vogelmiere hat als Nelkengewächs fünf Blütenblätter, diese sind aber tief eingeschnitten und wirken daher wie zehn. Die optische Vergrößerung der Blüte lockt bestäubende Insekten besser an. Der Stängel wird von einer Haarleiste begleitet, die sich an jedem Knoten um 90 Grad versetzt. Mit der Haarleiste vergrößert die Vogelmiere ihre Oberfläche, um Wasser, Nebel oder Kondenswasser, aufzufangen und zu den Wurzeln zu leiten.

Junge Triebspitzen der Vogelmiere schmecken wie junger Mais. Reich an Vitamin C, Mineralien und Spurenelemente für Frühjahrskuren zur Blutreinigung bei Rheumatismus. In Smoothies als Energydrink, als Futter für alle Tiere besonders Ziervögel und Nagetiere, für Meerschweinchen.

Vogelmiere schützt den Boden, da die dichten, flachen und bis zu 40 cm langen Ausläufer den Boden im Sommer vor Austrocknung, im Winter vor direkter Kälteeinwirkung schützen und allgemein erosionsmindernd wirken.

Giersch (Aegopodium podagraria)

Der botanische Name verweist auf die Gicht, die man auch Podagra nannte. Das erste frische Grün des Giersch durchspülte das Gewebe, Ablagerungen wurden abgebaut, die Vitamin C Versorgung wurde verbessert, die Entzündungen gingen zurück. Gierschblätter sind dreilappig und haben einen dreikantigen Blattstiel. Gierschblätter schmecken nach Anis, eigenen sich für „Spinat“, Suppen, Pesto und Salate. Auch die Samen sind essbar. Giersch bildet starke Wurzelausläufer, eine große Gierschgruppe kann aus einer einzigen Mutterpflanze bestehen. Giersch lässt sich durch regelmäßiges Abernten, durch Mähen oder durch Mulchen mit Eichen- oder Nussbaumlaub eindämmen.

Brennnessel (Urtica dioica)

Die Brennnessel gilt als Königin der Heilpflanzen. Sie kennt ihre wertvollen Inhaltsstoffe und verteidigt sie dementsprechend. Brennnesseln wachsen auf stickstoffreichen Böden und bilden viel Eiweiß, das macht sie zur wertvollen Eiweiß und Futterpflanze.

Über 300 Schmetterlingsarten leben an Brennnesseln. Die geschlüpften Raupen kriechen von der Blattunterseite zum Fressen auf die Blattoberseite. Sie ernähren sich vom Blattgrün, die Brennhaare der Blattunterseite fallen einfach ab. Brennnesseln enthalten ca. 30 % Eiweiß, die Samen 25% – 33% Öl davon 74% bis 83% Linolsäure, die Vitamine C und E. Die Carotinoide wie ß-Carotin und Lutein sind beides Wirkstoffe zur Erhaltung der Sehkraft und zur Vorbeugung gegen Makuladegeneration.

Brennnesselsamen sind reich an Methionin, sie unterstützen die Bildung von Horn für Haare, Nägel, Hufe, Klauen, Fell oder Gefieder. Brennnesselsamen ist in der Aufzucht von Küken, Welpen und anderen Jungtieren eine wertvolle Bereicherung.

Geschrotet oder gemörsert im Müsli oder Salat ein „ Superfood“, in der Pfanne geröstet ein pfefferartiges Gewürz.

Weiße Taubnessel (Lamium album)

Sie ist nicht mit der Brennnessel verwand, sondern gehört zur Familie der Lippenblütler. Sie haben einen vierkantigen Stängel kreuzgegenständige Blätter, die Blüten sitzen in Büscheln in den Blattachseln. Die Weiße Taubnessel hilft bei Erkrankungen der Atemwege, sie ist schleimlösend und wirkt gegen Blähungen. Mittels Umschläge der abgekochten Pflanze werden Hautschwellungen, Beulen, Krampfadern und Gichtknoten behandelt.

Taubnessel-Tee wirkt harntreibend. Ihre entzündungshemmende Wirkung wird hauptsächlich gegen Entzündungen an der Mund- und Rachenschleimhaut verwendet und in der Frauenheilkunde, z.B. zu Spülungen bei Entzündungen im Vaginalbereich. Die jungen Triebe der Weißen Taubnessel kann man als leckeren Wildspinat essen. Die Blüten der aller Taubnesseln sind eine gute Bienenweide. Die Rote und die gefleckte Taubnessel schmecken etwas erdiger, sie können gleichermaßen verwendet werden.

Weißer Gänsefuß (Melde Chenopodium alba)

Wächst überall auf Schutt, frischen Böden. Der Weiße Gänsefuß ist ein Lichtkeimer, die Samen brauchen also offen Boden, damit sie keimen können. Sie können viel Jahrzehnte im Boden ruhen und wenn ihre Chance kommt nutzen sie die Zeit sofort. Man zählt sie zu den Heilspflanzen, die den gestörten Bodenbewuchs schnell heilen. Deswegen ist eine Mulchdecke aus Laub Stroh oder Häcksel ein guter Schutz vor zu viel Wildwuchs im Garten.

Weißer Gänsefuß wird als Gemüse wie Spinat zubereitet. Blanchieren oder überkochen und das Kochwasser wegschütten, um die Oxalate und die Saponine zu reduzieren. Noch wirksam ist es dem Kochwasser etwas Natron zuzufügen.

Die Samen können auch zu Sprossen gekeimt werden und Salaten zugegeben werden. Es wird empfohlen, die Samen über Nacht einzuweichen und vor der Zubereitung gut abzuspülen, um die Saponine zu entfernen. eine Messerspitze Natron (Natrium-hydrogencarbonat) verstärkt die Wirkung.

Junge Blütenstände ergeben gekocht ein Brokkoliartiges Gemüse. Die Samen werden zur Behandlung von urologischen Problemen gekaut. Der Saft des Stängels kann bei Sommersprossen und Sonnenbrand genutzt werde, der Saft der Wurzel bei Durchfallerkrankungen.

Enthält die Nahrung einen hohen Anteil des gepulverten Krautes, kann der weibliche Zyklus unterdrückt werden. Deswegen ist der Weiße Gänsefuß für Zuchttiere in der Deckungsperiode ungeeignet!

Löwenzahn (Taraxacum officinale)

Der Löwenzahn gehört zu den wenigen Pflanzen, die wohl jeder kennt. Der Löwenzahn wächst bis zu 30 cm hoch, hat eine kräftige Pfahlwurzel und hohle Stängel, mit weißem Milchsaft.

Die gezähnten Blätter stehen in einer Rosette. Die gelben Blüten bilden bei der Samenreife ein fallschirmartiges Anhängsel, wodurch die Ausbreitung durch den Wind sichergestellt ist (Pusteblume). Dort, wo Löwenzahn ganze Wiesenbestände dominiert, zeigt er intensive Düngung, in der Regel Gülledüngung, an, Löwenzahn ist ein Stickstoffzeiger.

Die jungen Blätter des Löwenzahns eignen sich für Salate oder Suppen, die Wurzel ist ein wichtige Bittergewürz, aus Blüten und den Stängeln lassen sich Tess zubereiten außerdem Sirup, Gelee und „Honig“. Die Bitterstoffgruppen im Löwenzahn werden als Taraxin bezeichnet werden. Diese wirken galletreibend und fördern die Magensaftproduktion. Zusätzlich enthält der Löwenzahn Triterpene, Flavonoide, Kohlenhydrate und Schleime. Die Bitterstoffe stabilisieren das Darmmilieu und stäken di Schleimhäute im magen-Darmbereich. Löwen-zahnwurzel hilft Parasiten, wie Würmer oder Kokzidien wirksam zu bekämpfen. Der hohe Gehalt an Kalium sorgt für die wassertreibende und mild abführende Wirkung. Löwenzahn kann bei gestörtem Gallefluss, Völlegefühl, Blähungen und bei Appetitlosigkeit angewandt werden.

Weiterhin wird Löwenzahn zur Behandlung bei Ekzemen und anderen Hauterkrankungen, sowie zur Steigerung der Harnmenge bei Harnwegsinfektionen und als mildes Abführmittel genutzt.

Spitzwegerich (Plantago lanceolata)

In Notzeiten nach den beiden Weltkriegen und während der Weltwirtschaftskrise war Salat aus wildwachsendem Spitzwegerich ein beliebter Ersatz für unerschwingliches oder nicht erhältliches frisches Grün.

Ernten und Sammeln kann man ihn am besten von Anfang April bis Ende August. Man findet ihn im Garten, oft in kleinen Wiesen, an Äckern und Feldrändern, an den Wald angrenzenden Wegen.

Nach Insektenstichen ist der Spitzwegerich, zerrieben und auf den Stich aufgetragen, kühlend und schmerzlindernd, er hilft auch nach Hautkontakt mit Brennnesseln. Zur Herstellung von Teeaufgüssen werden die Blätter oder das ganze Kraut gesammelt und getrocknet. Für Spitzwegerich-Saft presst man die frischen Blätter aus.

Für Spitzwegerich-Sirup kocht man die Blätter und Blüten zusammen mit Zucker und/oder Honig. Breitwegerich und Mittlerer Wegerich können gleichermaßen verarbeitet werden. Da die Ernte aber aufwendiger ist und die Blätter oft verschmutzt sind, wird der einfach zu erntende Spitzwegerich bevorzugt.

Neuere Studien zeigen auf eine antivirale und immunmodulatorische Wirkung der Spitzwegericharten. Der Saft wird bei Atemwegsproblemen eingesetzt, bei Magenschleimhautentzündungen, Magen- und Darmgeschwüren. Flohsamen, Pysillium ist der Same einer indischen Wegerich-Art. Auch die Samen der heimischen Wegerich-arten haben ein starkes Quellvermögen und können zum Festigen des Nahrungsbreis oder zum Schutz von Schleimhäuten im Magen und Darm genutzt werden.

Gartenschaumkraut, Behaartes Schaumkraut (Cardamine hirsuata)

Der Geschmack des Gartenschaumkrauts ähnelt dem der Brunnenkresse. Es ist nur nicht ganz so scharf. Seine wichtigsten Inhaltsstoffe sind Senfölglycoside, Vitamin C, Mineral- und Bitterstoffe.

Gartenschaumkraut schmeckt lecker allein oder mit anderen Kräutern gemischt auf Brot, in Eierspeisen oder im Quark. Es eignet sich auch als Würze in Suppen oder Eintöpfen, Pesto oder Kräuterbutter. Gartenschaumkraut kann bis zu 50 000 Samen pro Pflanze produzieren, die reifen Schoten platzen und rollen sich auf. Dabei werden die Samen weit weggeschleudert. Die beste Erntezeit der Blattrosetten oder der Blätter ist vor und in der beginnenden Blüte. Wenn die Erste Samenreife beginnt werden die Blätter hart.

Fazit

Wir sollten uns im Garten über die Unkräuter nicht ärgern. betrachten wir sie als Partner, sie zeigen uns, wo der Boden überdüngt oder verdichtet ist und tragen dazu bei, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Pflanzen wollen uns zeigen was uns selbst oder unserem Garten fehlt. Die Natur hat nur in Wüsten offene Böden und sie will die Erde immer mit ihrem grünen Kleid bedecken. Mulchmaterialen sind ein natürlicher Beitrag den Boden zu bedecken, die Bodenlebewesen zu fördern und zu schützen.

Manfred Hessel, Diplom-Ökologe

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