Wildbienen-Nisthilfen
Gerne, aber wenn dann richtig!
Seit der Schockmeldung über das Insektensterben sind Wildbienen in aller Munde. Viele möchten etwas zum Schutz der Wildbienen beitragen. Selbst bei Discountern gibt es sog. „Insektenhotels“ und Saatgutmischungen für „Blumenwiesen“ zu kaufen. Die Bereitschaft der Menschen, sich für Naturschutz einzusetzen, ist sehr erfreulich. Aber sind die angebotenen Hilfen auch artgerecht und wirksam?
Nicht geeignet!
Dazu muss man sich zunächst klarmachen, worum es überhaupt geht. Die Insekten sind eine sehr große Tiergruppe mit vielen „Untergruppen“. Alle Gruppen, aber auch innerhalb der Gruppen die verschiedenen Arten, haben unterschiedliche Lebensweisen und Ansprüche an ihren Lebensraum. „Insektenhotels“ können also niemals nützlich für alle Insekten sein, sondern allenfalls für bestimmte Gruppen oder Arten, und auch nur für einen Teil ihres Lebensraums bzw. ihrer Lebensphase.
Biologen haben sich schon des Öfteren kritisch über die Konstruktion von Insektenhotels geäußert, allerdings ist ihre Kritik in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen und von den meisten Herstellern bzw. Verkäufern von Insektenhotels nicht umgesetzt worden. Die Erfahrung zeigt, dass z. B. alle Elemente, die als Versteck oder Überwinterungsquartier für Florfliegen, Marienkäfer und Schmetterlinge. eingebracht werden. wie z.B. Kiefernzapfen, Stroh oder Holzwolle von den Tieren nicht genutzt werden. Wer sich mal die Mühe macht, die Fächer mit diesen Materialien nach Tieren abzusuchen, wird kaum fündig werden.
Wer etwas wirklich Nützliches für viele Wildtiere und –pflanzen tun möchte, belässt in seinem Garten einfach ein paar wilde Ecken: In Stein- und Zweighaufen verkriechen sich nicht nur Florfliegen und überwintern Schmetterlinge, zwischen den Steinen verstecken sich auch Kröten und Eidechsen, und in den Zweigen nistet gerne der Zaunkönig. Auch Igel nutzen solche Stellen als Wohnraum. Wo es geht, sollte man Mauern und Wegeplatten nicht verfugen, damit kleine Tiere Rückzugsorte finden. In Plattenfugen können sich zudem Pflanzen ansiedeln, die wiederum Futter für Insekten und andere Wildtiere sind. Auch auf dem Balkon sind ein paar unaufgeräumte Materialstapel deutlich bessere Rückzugsorte für Krabbelviecher als teuer eingekaufte oder mühevoll gebastelte „Nützlings-Quartiere“.
Einsame Mütter
Die wichtigsten Elemente der Insektenhotels, die – wenn sie richtig konstruiert sind – in der Tat für Tiere hilfreich sein können, sind die Nisthilfen für Wildbienen. Dazu muss man wissen, dass die meisten der bei uns heimischen ca. 560 Wildbienen-Arten solitär leben, also nicht in Staaten wie die Honigbiene. Nach der Befruchtung durch die Männchen suchen sich die Weibchen ein geeignetes „Nest“, in das sie ihre Eier ablegen können. Die meisten Arten graben dafür Löcher und Gänge in den Boden, viele Arten suchen aber auch nach alten Käferfraßgängen in absterbenden Baumstämmen, in denen sie ihre Brutröhren anlegen. Einige Wochen lang sind die Mütter eifrig damit beschäftigt, für jedes Ei einen Brutraum mit einem Vorrat von Pollen anzulegen und dann mit einer Wand aus Lehm zu verschließen. Danach sterben die erschöpften Damen. Aus den Eiern schlüpfen die Larven und fressen den Pollenvorrat auf. Danach verpuppen sie sich. Ein Jahr nach der Befruchtung schlüpfen die erwachsenen Bienen aus den Puppen, kriechen durch die Brutröhre nach draußen, und der Kreislauf beginnt von Neuem.
Für diese Wildbienenarten sind Nisthilfen eine sinnvolle Unterstützung. Denn wo werden in der Natur absterbende Bäume noch stehen gelassen? Im Wald werden Bäume gefällt, bevor sie absterben. Und in der besiedelten Landschaft werden Bäume zum „Verkehrssicherheits-Risiko“, sobald ein morscher Ast zu sehen ist. Wer also einen Garten hat oder eine Streuobstwiese, eine Weide oder Randflächen mit alten Bäumen, der kann die wirksamste Hilfe für Wildbienen leisten – einfach indem er diese Bäume in Ruhe absterben lässt. Stehendes Totholz ist eins der wertvollsten Biotope für den Naturschutz, nicht nur für Wildbienen!
Checkliste für die artgerechte Wildbienen-Nisthilfe
Wo aber keine absterbenden Bäume in ausreichender Menge vorhanden sind, können wir mit dem Angebot von Nisthilfen Ersatz schaffen. Egal ob bei einer gekauften Nisthilfe oder beim Eigenbau: Es ist äußerst wichtig, dass die künstlichen Brutröhren die Eigenschaften der natürlichen Brutröhren optimal nachahmen. Die natürlichen Brutröhren schaffen sich die Wildbienen nicht selbst, sie wurden von Käferlarven sorgfältig in das Holz gebohrt: Sauber „geschliffene“ Wände ohne Splitter in einem trockenen, atmungsaktiven Material. So sollten auch die künstlichen Brutröhren beschaffen sein. Dazu eignen sich entweder sauber abgeschnittene Stängel von Bambus oder Schilf oder Bohrlöcher in Steinen oder Holzstücken. Besonders bei Letzteren wird oft viel verkehrt gemacht. Hier die häufigsten Fehler und wie es richtig geht:
- Kein Nadelholz verwenden! Der austretende Harz verklebt die Insektenkörper. Nehmen Sie Hartholz von Laubbäumen wie z. B. der Buche, der Esche oder von Obstgehölzen.
- Das Holz sollte entrindet und gut getrocknet sein, am besten mindestens ein Jahr. Dann ist die Rissbildung durch das im Trocknungsprozess schrumpfende Holz weitgehend abgeschlossen, und man kann die Brutröhren dort bohren, wo keine Risse sind. Risse im Holz sind Eintrittspforten für Pilze. Es kann dann passieren, dass die Biene zwar erfolgreich ihre Brutkammern anlegt, der Pollen jedoch schimmelt und die Brut stirbt.
- Bohren Sie niemals längs der Faserrichtung, also z. B. in eine Holzscheibe, sondern immer in die Rindenseite des Stamms, also senkrecht zur Faserrichtung. Bohrungen längs der Faserrichtung splittern stark. Selbst kleine Splitter zerreißen die zarten Flügel der Bienen. Oft nehmen die Bienen Brutröhren, die offensichtlich splittrig sind, gar nicht erst an.
- Glätten Sie die Bohrung so gut es geht. Auch bei korrekt ausgeführten Bohrungen fasern die äußeren Ränder der Bohrlöcher ein wenig aus. Hier kann man mit kleinen Rundfeilen oder Schmirgelpaper einen splitterfreien Eingang in das Bohrloch herstellen.
- In manchen fertigen Wildbienen-Nisthilfen sollen Brutröhren aus Plexiglas einen Einblick in die Brutröhren ermöglichen. Da Plexiglas nicht atmungsaktiv ist, ist auch hier die Gefahr des Verpilzens groß.
Manche Wildbienenarten legen ihre Brutröhren nur in markhaltigen, senkrecht stehenden Pflanzenstängeln an. Für diese Arten können Bündel getrockneter Stängel z. B. von Gehölzen wie Brombeeren, Himbeeren oder Holunder, aber auch von krautigen Pflanzen wie Disteln, Sonnenblumen oder Königskerzen, zusammengebunden und aufrecht möglichst trocken z. B. am Balkongeländer oder an einem Zaunpfahl befestigt werden. Wenn Sie die Stängel mit der Gartenschere oben anschneiden, gelangen die Bienen leichter an das Pflanzenmark.
Bringen Sie Ihre Wildbienen-Nisthilfe an einem trockenen und besonnten Platz an. So vermeiden Sie Kälte und Feuchtigkeit, die das Verpilzen der Pollen begünstigen.
Futter für Wildbienen
Was aber nützen die besten Nisthilfen, wenn die Bienen nichts zu fressen haben? Daher ist es wichtig, in der Nähe der aufgestellten Nisthilfen auch ein artgerechtes Futterangebot zu schaffen. Dazu muss man wissen, dass die heimischen Wildbienen, besonders die seltenen, teils hochspezialisierten Arten, auch bevorzugt heimische Pflanzenarten als Futterpflanzen benötigen. Arten aus anderen Florengebieten der Welt, auch wenn sie noch so üppig blühen wie z. B. im Frühling die Forsythie oder Staudenrabatten im Sommer, haben für die heimische Insektenwelt einen äußerst geringen Wert. Auch gefüllte Blüten von Rosen und Stauden bieten selbst bei der schönsten Blütenpracht wenig Futter für Insekten, denn die zusätzlichen Blütenblätter sind nichts anderes als durch Züchtung umgebildete Staubblätter, also diejenigen Blütenorgane, die den Pollen enthalten.
Wer unseren Wildbienen helfen will, sät oder pflanzt heimische Wildpflanzen – im Balkonkasten, in Terrassenkübeln, im Garten oder in der Landschaft. Dabei sind auch die in den Geschäften angebotenen Saatgutmischungen von „Blumenwiesen“ nicht unbedingt geeignet als Futter für Wildbienen, denn sie enthalten oft bunte, großblütige Zuchtsorten einjähriger Blumenarten, die als Pollenspender nur bedingt taugen. Besser sind Mischungen aus heimischen Wiesenarten. Wenn Sie eine dauerhafte Wildblumenwiese im Garten anlegen möchten, sollten Sie darauf achten, dass der Großteil der Arten in der Saatgutmischung nicht einjährig, sondern ausdauernd ist. Wer einen Rasen im Garten hat, kann aber auch einfach erst einmal die Rasenpflege ändern, dann siedeln sich ganz von allein heimische Blütenpflanzen an: Wenn man den Rasen nicht düngt und den Rasenschnitt entfernt, magert der Standort aus, und das Gras verliert gegenüber den Blütenpflanzen an Konkurrenzkraft. Wo weniger oft gemäht wird und Wieseninseln stehen gelassen werden, können Blütenpflanzen zur Blüte kommen und sich aussamen. Schon allein wenn Gänseblümchen und Löwenzahn im Rasen wachsen, ist das für Wildbienen ein ganz enormer Gewinn!
In Staudenbeete können Sie neben Zierstauden auch heimische Wildstauden pflanzen. Viele von unseren heimischen Stauden können auch in Balkonkästen und Kübeln gezogen werden, z. B. verschiedene heimische Arten von Glockenblumen, Heidenelken oder Fetthennen. Sie lassen sich ebenso ästhetisch ansprechend kombinieren wie die klassischen Balkonkastenpflanzen oder Beetstauden. Großwüchsige heimische Arten von Königskerzen oder Weidenröschen, Natternkopf oder Blutweiderich sind im großen Staudenbeet als Leitstauden oder im großen Kübel ebenso dekorativ wie konventionelle Prachtstauden. Denken Sie daran, dass es das ganze Jahr über blühen soll – setzen Sie also auch Blumenzwiebeln z. B. von heimischen Frühjahrsblühern wie Buschwindröschen, Lungenkraut, Märzenbecher , Lerchensporn und Scharbockskraut – aber bitte die Wildformen und keine gezüchteten Sorten mit gefüllten Blüten (siehe oben). Ein paar Astern für die Herbstblüte verlängern die Blühsaison bis in den November. Bei Rosen und Prachtstauden sollten Sie bei der Sortenwahl auf ungefüllte Blüten achten.
Neben Rosen sind auch viele andere heimische Sträucher sehr gute Futterpflanzen für Wildbienen, allen voran die Salweide, aber auch andere Weiden-Arten, außerdem Weißdorn, Schlehen und Wildrosen sowie alle Obstbäume und Beerensträucher. Bei Weiden sollten Sie darauf achten, sowohl männliche Pflanzen als Pollenspender als auch weibliche Pflanzen als Nektarquelle zu pflanzen.
Einige Wildbienen-Arten schließlich sind so spezialisiert, dass man sie nur durch die gezielte Pflanzung oder Erhaltung bestimmter Pflanzenarten fördern kann: So braucht die Efeu-Sandbiene blühenden (also alten) Efeu, die Glockenblumen-Scherenbiene sammelt fast ausschließlich Pollen von Glockenblumen-Arten, die Haupt-Pollenquelle der Ehrenpreis-Sandbiene ist der Gamander-Ehrenpreis, und die Mohn-Mauerbiene kleidet den Hohlraum, den sie für die Brutkammer in den Sandboden gegraben hat, mit abgebissenen Stücken ausschließlich von Mohn-Blütenblättern aus.
Die Wildbienen sind eine faszinierende Insektengruppe mit einer Fülle einzigartiger artspezifischer Verhaltensweisen. Wer sich näher mit ihnen beschäftigt, kommt aus dem Staunen nicht heraus! Das ist Natur pur mit all ihrem „Erfindungsreichtum“!
Im Porträt: Die Natternkopf-Mauerbiene (Osmia odunca)
Die seltene Natternkopf-Mauerbiene Osmia adunca fliegt im Vergleich zu verwandten Arten erst relativ spät im Jahr, denn die Leibspeise ihrer Larven ist der Natternkopf (Echium vulgare). Diese von Juli bis Oktober leuchtend blau und üppig blühende, große Wildstaude wächst in der Natur an sonnigen, trockenen und wenig bewachsenen Standorten.
Die Natternkopf-Mauerbiene nimmt auch künstliche Nisthilfen gerne an. Bei der Wahl der Brutröhren ist sie nämlich nicht besonders wählerisch, wohl aber bei der Art der Pollen für ihre Nachwuchs: In die Bruträume ihrer Nachkommen kommt ausschließlich der Pollen des Natternkopfes. Dabei sammelt die Natternkopf-Mauerbiene wie alle Mauerbienen den Pollen nicht in „Höschen“ an den Beinen wie z. B. die Honigbiene, sondern der Pollen wird an einer speziellen Sammelbürste am Bauch getragen. Die Mauerbienen zählt man daher zu den sog. „Bauchsammlerbienen“.
Wer also eine Natternkopf-Mauerbiene auf dem Balkon oder im Garten entdecken möchte, braucht einen Kübel auf dem Balkon oder ein Beet im Garten, in dem Natternkopf wächst.
Bezugsquellen
- Wildbienen-Nisthilfen: http://www.wildbiene.com/, http://www.mauerbienen.com/, http://www.bienenhotel.de/, http://www.naturschutzcenter.de/, http://www.wildbienenschreiner.de/, http://jürgen-schwandt.de/, http://www.stockhaus-keramik.de/
- Einjährige Saatgutmischungen für Balkonkästen: http://www.wildbienen-futterpflanzen.de/
- Mehrjährige Saatgutmischungen für Wildblumenwiesen: https://www.rieger-hofmann.de/index.php?id=11
- Wildstauden für Staudenbeete an unterschiedlichen Standorten: https://www.gaertnerei-strickler.de
Link-Tipps
- https://www.naturgartenfreude.de
- http://www.wildbienen.info/index.php
- http://www.stadt-koeln.de/wildbienen
Literatur
- David, Werner (2017): Fertig zum Einzug: Nisthilfen für Wildbienen: Leitfaden für Bau und Praxis - so gelingt`s. ISBN 978-3-89566-358-1
- Eder, Anja (2018) Wildbienenhelfer. ISBN 978-3-94396691-9-1
- Westrich, Paul (2011): Wildbienen. Die anderen Bienen. ISBN978-3-89937-136-9
- Zurbuchen, Antonia & Andreas Müller (2012): Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis. ISBN 978-3-258-07722-2